Durch Berücksichtigung natürlicher Verhaltensweisen und Anwendung richtiger Treibetechniken wird es den Rindern erleichtert zu verstehen, was wir von ihnen wollen. Am Mittwoch, den 19. Juni 2019 fand dazu ein Tagesseminar mit Referent Reinhard Gastecker von der LK Niederösterreich an der LFS Litzlhof sowie auf der Göriacher Alm statt.

Wie sehen Rinder?
Besonders wichtig ist das Wissen über die Sinneswahrnehmung von Rindern. Das Gesichtsfeld der Rinder erstreckt sich über einen Bereich von ca. 330° um ihren Körper. Unmittelbar vor dem Kopf sehen sie aufgrund der anatomischen Anordnung der Augen nichts.
Weiters haben Rinder beispielsweise nur 30 % der Sehschärfe von Menschen und brauchen bis zu fünfmal länger – also fünf Sekunden – um sich an veränderte Lichtverhältnisse anzupassen. Das sei besonders beim Verladen aus Ställen heraus oft ein Problem, berichtet Gastecker. Blendet die Sonne auf die Verladerampe oder ist der Stall deutlich dunkler als der Außenbereich, brauchen die Tiere länger, um ihre Augen an die Umgebung zu gewöhnen. Dann stockt das Verladen und die Unruhe im Stall steigt zusätzlich. „Jetzt geh schon, da ist doch nichts!“ Wie oft rufen wir das unseren Rindern zu oder denken es zumindest. Klar, für uns ist die Situation übersichtlich. Das Gehirn der Rinder ist aber nicht so komplex wie das des Menschen. Sie können nicht abstrakt denken und somit die „unwichtigen“ Dinge wegblenden, so wie es der Mensch kann. Rinder folgen ihrem Instinkt und so müssen sie in jeder neuen Situation prüfen: „Flüchten oder nicht?“
Starke Lichtkontraste sind daher sehr irritierend für Rinder. Sie haben große Probleme, über Schatten oder dunkle Rinnen, die im Boden eingelassen sind, zu steigen. Die Wirkung solcher Kontraste ist ähnlich der eines Weiderostes, wie er auf Almwegen eingesetzt wird.

In der Ruhe liegt die Kraft!
„Der schnellste Weg mit Rindern zu arbeiten ist so langsam wie möglich“, erklärt Reinhard Gastecker von der Landwirtschaftskammer Niederösterreich. Mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierte der Experten über Hilfsmittel zum Treiben, Separieren, Fixieren oder Verladen von Rindern. Erster und wichtiger Praxistipp: Ruhig und gelassen in den Stall gehen, egal welche Arbeit ansteht. Frei nach dem Motto „In der Ruhe liegt die Kraft“.

Gestärkt vom Mittagessen an der LFS Litzlhof und vollgepumpt mit dem theoretischen Wissen vom Vormittag widmeten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Nachmittag dem praktischen Teil. Anhand der Rinder an der LFS Litzlhof zeigte Reinhard Gastecker verschiedene Beruhigungspunkte, welche besonders positiv auf das Wohlbefinden der Rinder wirken. Allgemein bekannt ist das Kraulen der Wamme, hingegen wissen aber nur die wenigsten, dass auch der erste Haarwirbel am Rücken als intensiver Beruhigungspunkt gilt. Im Gegensatz dazu soll das Streicheln der Stirn und des Hornansatzes unbedingt vermieden werden, dies fordert nämlich den Kampftrieb des Rindes heraus.

Im Stall der LFS wurden auch verschiedene Fixierungs- und Seiltechniken besprochen und geübt, die einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Staunen brachten.
Auf der Göriacher Alm wurde das theoretische Wissen an der Mutterkuhherde erprobt. Das bewusste Treiben von Rindern, das gezielte Absondern eines Rindes wurde, soweit es die Witterung zuließ, geübt.
Herzliches Dankeschön dem Referenten DI Reinhard Gastecker von der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, Bernhard Russegger von der Agrargemeinschaft Göriach, den interessierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern, der LFS Litzlhof und allen Personen die zum Gelingen dieses Tages beigetragen haben!

Dipl.-Ing. Elisabeth Ladinig